Es ist der 19.10.15. Ich habe begonnen, den Reisebericht, um den unser Pfarrer P. Winkens mich gebeten hatte, zu schreiben. Meine Frau sieht mir über die Schulter und sagt: „ Eigentlich fehlt mir die Schlacht am Frühstücksbuffet, das Gespräch mit dem Tischnachbarn“, was ich ihr schmunzelnd bestätige. Bei uns geht es sehr viel ruhiger, kommentarloser zu.
Aber der Reihe nach.
Treffen der Reisegruppe am 6.10. um 06.45 h auf dem Gelände der Katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt am Bus der Fa.Frericksreisen, Dörpen. Der Busfahrer Heinz, der uns über die mehr als 2000 km hin und zurück fahren sollte, war beim Stauen der Koffer behilflich. Im Bus eine allgemeine Begrüßung, ein sich gegenseitiges Vorstellen, die Suche nach bekannten Gesichtern. Und schon begann die Reise mit dem Ziel Krakau, der königlichen Stadt Polens. Dank unseres erfahrenen Fahrers schafften wir den Weg nach Görlitz wie geplant, um auch noch an einer vorgesehenen Stadtführung bei herrlichstem Herbstwetter teilnehmen zu können.
GÖRLITZ, (ca. 50.000 Einwohner) eine Perle an der Neiße, geteilte Stadt, hatte während des 2.Weltkrieges wenig gelitten, Bürgerhäuser aus dem frühen und späten Mittelalter waren noch gut erhalten oder restauriert worden. Görlitz war in der Vergangenheit ein Umschlagsplatz der HANSE für Salz und Gewürze, für Stoffe und Tuche gewesen. Interessant der Kaisertrutz, der Ober-und Untermarkt mit den typischen Hallenhäusern, die Ratsapotheke mit ihren Sonnenuhren, das Rathaus mit den zwei Zifferblättern und dem Männerkopf, der zu vollen Stunden den Unterkiefer auf und zuklappt. Allein, es fehlt an Leben. Görlitz hat einen Leerstand von 8 bis 10.000 Wohnungen, es fehlt an Industrie- und Gewerbebetrieben, die die Lage ändern könnten. Allerdings hat Görlitz einen Gönner. Jedes Jahr werden von einem Unbekannten eine Summe von einer Million Euro gespendet, die der Stadtkasse sehr zu pass kommen. Am Rathaus auf der Hochzeitstreppe machten wir ein Gruppenfoto. Auf dem Weg ins Hotel Mercure Parkhotel hatte man einen wunderbaren Blick auf die Neiße mit einer Brücke zu dem polnischen Teil.
Mi.-7.10.15 Weiterfahrt in Richtung Krakau über Oppeln an der Oder (Einwohnerzahl 120.00)
Oppeln eine Stadt in Niederschlesien. Wir trafen dort unseren Reiseleiter Jacek Ptak, der uns auf der Weiterreise begleiten sollte. Er sprach ein perfektes Deutsch, schien sehr kompetent in der Geschichte Polens und Deutschlands. Seine Ausrüstung bestand aus einem tragbaren Mikrophon mit Lautsprecher, mit dem er auch die weiter entfernt stehenden Teilnehmer akustisch erreichen konnte.
Oppeln, selbst, war eine für mich wenig beeindruckende Stadt, die nach der teilweisen Zerstörung durch die Russen vernachlässigt wurde. Von der damaligen deutschen Bevölkerung blieben viele in der Stadt oder der Umgebung, mussten begreiflicherweise aber die deutsche Staatsangehörigkeit ablegen. Die Stadt erhielt wenig finanzielle Unterstützung, weil man von polnischer Seite nicht wusste, ob sie jemals wieder in deutschen Besitz zurückkehren würde. Interessant waren für mich der Kopernikus-Platz, wo wir ein KANTOR (Wechselstube) fanden, um uns mit SLOTY abzusichern, das Rathaus mit seinem hohen Turm, den Dom mit dem Grabmal des letzten Herzogs der Piasten-Dynastie. Immerhin hatten wir Gelegenheit, uns zwischenzeitlich bei einem schnellen Kaffee mit Kuchen zu erholen.
Weiterfahrt nach Krakau
Wir erreichten die Stadt gegen 18.00h. und bezogen das Hotel „ Crown Piast“, da das vorgesehene Hotel einen Wasserschaden hatte und uns nicht bewirten konnte. Aber auch hier wurden wir „königlich“ versorgt.
Do.-8.10.15 Krakau, die Königliche Stadt an der Weichsel (Einwohnerzahl ca. 760.000 )
Programmänderung: Vom Hotel aus fuhren wir zunächst stadteinwärts, über die Weichsel zu den städtischen, großen Grünanlagen , Planty genannt, mit großen Grünflächen von bis zu 80 Fußballfeldern, wo Großversammlungen und Volksfeste abgehalten werden. Von dort eroberten wir den Schlossberg WAWEL Über eine lange Rampe kamen wir zum Schlosstor, dahinter ein großer Hof, linker Hand die Kathedrale, in der viele polnische Könige gekrönt und beigesetzt wurden. Rechter Hand eine Statue Papst Johannes Paul II, der in Wadovice bei Krakau geboren wurde, studiert und seelsorgerisch gearbeitet hatte, bevor er nach Rom abgerufen wurde. Anschließend gingen wir hinüber zum Piastenschloss mit seinem bewundernswerten Innenhof. Der Wawel war von vielen Erwachsenen aber auch Schulklassen gut besucht. Wir stiegen den WAWEL hinab in Richtung Altstadt, gingen zu dem bekannten Martktplatz mit dem Rathaus, den Tuchhallen, die heute als allgemeines Verkaufscenter genutzt werden, der Marienkirche, sowie etwas versteckt die Barbarakirche, in der wir einen Gottesdienst abhielten. Wir durften um 17 h den Turmbläser erleben, der von dem Turm der Marienkirche aus die Hejnal-Melodie, ein Warnsignal aus vergangener Zeit, spielte und sich der Begeisterung seines Publikums erfreute. Anschließend hatten wir Gelegenheit, einer kurzen Führung durch das Universitätsmuseum, das Collegium Maius, beizuwohnen. Dort hatten sowohl Kopernikus als auch Papst Paul II studiert. Der Tag klang mit einem typisch polnischen Abendessen aus.
Fr.-9.10. Krakau, das Jüdische Viertel war in seiner Schlichtheit bezeichnend. Auf einem Umweg über die Klosterkirche „Auf dem Felsen“ gingen zum Marktplatz Nowy hin zur Alten Synagoge, die heute als Museum genutzt wird. Die Remuh-Synagoge wurde gerade restauriert, weswegen wir nur einen kurzen Blick in das Innere werfen konnten. Wir besuchten den alten Friedhof mit seinen hunderten von Stelen und Grabsteinen mit ihren interessanten, leider nicht lesbaren Inschriften.
Nachmittags hatten wir Gelegenheit zu einem Besuch der SCHINDLER – FABRIK (frühere Emaillierfabrik) Das heutige Museum gab Einblick in die Kriegs- und Besatzungszeit Krakaus sowie das Leben und Leiden der jüdischen Bevölkerung während der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Schindler soll während der Besatzungszeit tausende von Juden in der Fabrik beschäftigt und mindestens 1200 Menschen vor dem sicheren Tod gerettet haben. Der Abend klang bei einem typischen polnischen Abendessen in Begleitung von Klezmermusik, vorgetragen von einem Instrumententrio.
Sa.-10.10.15 Besichtigung von NOWA Huta – ein Stadtteil Krakaus, in dem eine Eisen-/Stahlhütte während des Warschauer Paktes errichtet wurde, um vielen tausend Menschen Brot und Arbeit geben zu können. Gegen den Willen des damaligen Regimes wurde über Jahre von vielen Gläubigen in Tag- und Nachtschichten ohne jegliche finanzielle Zuschüsse die „Archenkirche“ fertiggestellt. Beeindruckend im Inneren der Kirche über dem Altar eine übergroße sich aufbäumende oder emporschwingende, dunkelgehaltene Jesusfigur vor einem hellgehaltenen Hintergrund. Der damalige Erzbischof von Krakau Karol Woityla erwirkte die Genehmigung zur Beendigung der Bauarbeiten.- Besuch des Sanktuariums „ Zur Barmherzigkeit Gottes“, wo die „Heilige Faustina“ verehrt wird. Eine Ordensschwester schilderte uns das Leben und Wirken von Schwester Faustina. Wir hatten im Untergeschoss Gelegenheit zu einem Gottesdienst. Etwas abgelegen das alte Kloster, ein Prachtbau seiner Zeit, das noch heute viele Nonnen beherbergt.
Besuch des Salzbergwerks „ Wieliczka“
Wir, „die Gruppe 106“ wurden von unserem Führer „alle auf einmal“ mit einem „Empfangsgerät und Knopf im Ohr“ durch das 700 Jahre alte Salzbergwerk geführt. Es ging über Holztreppen, insgesamt 400 Stufen hinab zu Grotten und Sälen, zu einem unterirdischen See. Die Szene vermittelte sehr gut die frühere Arbeit im Bergwerk, auch mit lebenden Pferden. Wir liefen durch Gänge von über 2,5 Kilometer Länge und manch einer war froh, als wir nach mehr als zweieinhalb Stunden Führung die Fahrstühle erreichten.
So.-11.10.15 Wir verließen Krakau und fuhren nach Tschenstochau, einem Wallfahrtsort, in dem „Die schwarze Madonna“ gehuldigt wird. Schon bei Ankunft ahnten wir den Zustrom an Menschen, da kaum ein Parkplatz für unseren Bus bereit stand. Wir nahmen teil an einer Führung durch das Kloster und die Schatzkammer. Es gelang uns auf einem Schleichweg einen Blick in das Kirchenschiff und den Altarraum zu werfen. Dicht gedrängt standen die Menschen bei kirchlicher Musik und Gesang nebeneinander, den Blick auf das Madonnenbild gerichtet. Die Frömmigkeit der Polen schien unbegrenzt, ich sah Menschen mit Tränen in den Augen vor dem Heiligenbild, ein Empfinden, was wir vielleicht nicht nachempfinden können.
Breslau an der Oder ( 631.000 Einwohner)
Weiterfahrt über die Chaussee nach Breslau, unserer letzten Station auf dieser Reise. Unser Reiseführer machte uns schon kilometerweit vor Ankunft auf den „Sky-Tower“ ein moderner Bau aus neuester Zeit mit seinen achtzig Etagen aufmerksam. Wir wurden untergebracht im Hotel Park Plaza, direkt an der Oder gelegen, und wurden wieder hervorragend bewirtet.
Mo.-12.10.15.An diesem Tag fuhren wir zur Dom-Insel, machten Besuche in der Martinikirche und in der Kirche „ Maria auf dem Sande“. Unser Stadtführer Edmund, der Reiseführer Jacek machte in Breslau Pause, machte uns auf den altehrwürdigen Bahnhof aus Kaiserzeit aufmerksam, begleitete uns auf den alten jüdischen Friedhof mit seinen vielen tausenden Gräbern, auf dem auch die Eltern der heiliggesprochenen „Edith Stein“ beigesetzt wurden. Nachdem der frühere jüdische Friedhof mehrmals von der Stadtregierung verlegt worden war, hatte die jüdische Gemeinde das jetzige Areal käuflich erworben. Edmund führte uns auf den grandiosen Marktplatz mit dem gotischen Rathaus, seinen wieder aufgebauten oder restaurierten Bürgerhäusern und dem Schweidnitzer Bierkeller. Es gab eine Verschnaufpause, die wir nutzten, um Wodka und etwas Proviant zu kaufen. Anschließend ging es unter Führung zu der bekannten Aula Leopoldina. Edmund machte uns vor dem Gebäude auf das Monument des „Nackten Lanzenträgers“ sowie den Astronomischen Turm mit einem Globus auf der Spitze sowie vier Frauenfiguren, die die vier Wissenschaften Astronomie, Medizin, Recht und Theologie darstellen sollen, aufmerksam. Treppenhaus, Flure und die Aula selbst waren in einem fantastischen Barock ausgestattet. Leopold der Erste von Habsburg, als Gründer der Universität, hatte nicht vergessen, sich und seinen Söhnen ein Denkmal zu setzten. Das geschnitzte Gestühl war besonders ausdrucksvoll.- Edmund wies uns noch auf die Markthalle, und besonders auf die große Blumenschau hin, die auf dem Weg ins Hotel lag. Winzige Zwerge aus Messing, nicht größer als zehn Zentimeter, säumten in Verstecken oder am Straßensrand unseren Weg. Der Tag klang bei einem Essen in einem modernen Restaurant am Marktplatz aus.
Di.-13.10.15 Nach einem Frühstück im Park Plaza Hotel ging es dann zügig auf der Autobahn in Richtung Heimat. Die üblichen Pausen wurden eingehalten. Es war kalt geworden. Jemand erzählte, dass in Krakau der erste Schnee gefallen war.
Schluss
Während der achttägigen Reise sorgten Pater Winkens und Pater Marek dafür, dass Gebet und Gesang nicht zu kurz kamen. Das Gesangs-und Gebetsbuch der Pallottiner „ In Gottes Namen“, aus dem Pater Marek vortrug und mit uns sang, bleiben unvergessen, genauso wie seine Geschichten von den „Drei Zwergen und dem Nudelholz“, dem „Feuerspeienden Drachen“ in der Höhle des Berges Wawel, der nur Jungfrauen fraß und dem „ Reichen Bauern und dem Bettler“, letzterer verwandelte schlechtes Saatkorn in pures Gold. Wir lernten die ersten polnischen Ausdrücke, wie „prosze“ (bitte), „dziekuje“ (danke), oder „dzien dobry“(Guten Tag) und ich hoffe, wir waren eifrige Schüler.
Von den DREI „P“s (Pleiten, Pech, Pannen) blieben wir weitestgehend verschont. Die Hilfsbereitschaft und gegenseitige Fürsorge war bezeichnend und blieb bis zum Schluss ungebrochen. Unser treusorgender Fahrer Heinz hielt für kulinarische Engpässe stets Würstchen mit Brot und Senf, Kaffee und Wasser vorrätig, die Evelin, die Seele vom Ganzen, gern verteilte.
Eine Reise voller Inhalte, die einen Einblick in die polnische Seele erlaubte und mehr Verständnis für die allgemeine Lage des Pufferstaates zwischen Ost und West gab. Dennoch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass, als wir in Höhe von Cottbus die polnisch/deutsche Grenze überschritten, ein Aufatmen, ja ein freudiges Lachen durch den Bus ging. Wir waren wieder zu Hause, auch wenn wir noch etwa 300 Kilometer vor uns hatten. Die Oldenfelder Str. erreichten wir dankbar und erschöpft gegen 18 Uhr.
Hamburg, den 23.10.15/ Joachim Wollert