„Wenn alles so bleiben soll, wie es ist, dann muss sich alles ändern“
– Giuseppe di Lampedusa
Zehn Jahre Pfarrei Seliger Johannes Prassek feiern wir in diesem Jahr. Und der trockene Kommentar eines Gemeindemitglieds: Was soll ich da feiern? Wenn fünf starke, lebendige Gemeinden sich in einer Pfarrei zusammenfinden, dann ist das nicht von heute auf morgen eine Einheit – auch nicht in den ersten zehn Jahren. Auch heute noch gleichen wir eher einer Inselgruppe als einem Kontinent. Und doch gibt es bereits viele Brücken zwischen den Inseln und wir sind uns sehr viel mehr unserer Mitgemeinden bewusst, als wir es früher waren. Wir haben ein gemeinsames Seelsorgeteam, eine gemeinsame Verwaltung und pfarreiübergreifende Veranstaltungen, Initiativen und Gremien. Aber das Allerwichtigste ist: Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam. Und dabei gehen wir eher konservativ vor; wir möchten – wo immer möglich – am liebsten alles so belassen, wie es war, und vergessen dabei gern, dass vieles bereits ganz anders ist. Der nüchterne Blick auf die Fakten zeigt, dass wir keine vollen Kirchen mehr haben, dass wir nicht mehr genügend Priester haben, dass wir nicht mehr genug finanzielle Mittel haben, um all unseren Besitz zu erhalten, und dass so manches Ehrenamt in unserer Pfarrei so umfangreich ist, dass viele davor zurückschrecken. Also doch nichts zu feiern?
Zu diesem Schluss kommt man nur, wenn man vor lauter Angst, was man verlieren könnte, aus den Augen verliert, was es zu erhalten gilt. Konservativ – im besten Sinne – heißt, die Flamme zu erhalten und nicht die Asche zu hüten. Das kirchliche Leben an unseren Standorten zu bewahren und auszubauen und kein Gebäudemuseum zu werden, das langsam alles Leben erdrückt. Dafür gibt es letztendlich die Immobilienreform. Wir wollen feststellen, was uns wichtig ist, was notwendig ist, was überdacht werden muss und wovon wir uns eventuell trennen werden.
Das ist keine leichte Aufgabe. Die Gruppe, die PIK, die dafür eingesetzt wurde, eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen, hat sich ihre Aufgabe auch nicht leicht gemacht. Viele Szenarien wurden erdacht und durchgerechnet. Alles war dabei, vom Rückzug auf nur zwei Standorte bis hin zum vollständigen Erhalt aller Bauwerke. Beide diese Extreme haben sich als nicht durchsetzbar erwiesen. Das eine, weil es keinen Sinn ergibt, lebendige Gemeinden zu schließen; das andere, weil es schlichtweg nicht mehr bezahlbar ist. Im Ergebnis wurden dem Kirchenvorstand zwei Szenarien vorgelegt, die beide eine weitgehende Erhaltung des Bestandes vorsehen. Diese Szenarien haben wir, der Kirchenvorstand, beschlossen und veröffentlicht. Sie finden Sie auf der Homepage der Pfarrei oder ausgedruckt bei Ihrem Gemeindeteam.
Die Gruppe der Geistlichen Unterscheidung (GGU) hat dann aus diesen beiden Szenarien eine Variante ausgewählt. Die GGU besteht aus Pfarreimitgliedern, die keinem der entscheidenden Gremien angehören und dient als Kontrollinstanz. Die vom Kirchenvorstand beschlossenen Szenarien wurden gegen das Seelsorgekonzept unserer Pfarrei geprüft, es wurde ein Konzept ausgesucht und dem Kirchenvorstand zur Entscheidung vorgelegt. Dieses Szenario wird nun vom Kirchenvorstand dem Bischof vorgelegt zur endgültigen Entscheidung.
Das beschlossene Szenario sieht den Erhalt aller fünf Kirchen vor und vieler weiterer Gebäude. (Eine Liste finden Sie auf der Homepage der Pfarrei bei den veröffentlichten Szenarien.) Für alle Gebäude, die nicht als primär eingestuft wurden, können keine Haushaltsmittel zum Erhalt bereitgestellt werden. Für diese Gebäude müssen wir entscheiden, ob wir sie erhalten und weiter nutzen möchten, und dann, wie und mit welchen Geldmitteln dies geschehen soll.
Sekundär bedeutet nicht Verkauf oder Abriss, auch wenn dies natürlich in letzter Konsequenz Optionen sind. Die Arbeit ist mit dem beschlossenen Modell nicht getan, sie fängt gerade erst an. Im vorgelegten Bericht der PIK sind viele Ideen und Vorschläge enthalten, wie bestimmte Standorte verändert, entwickelt werden könnten. Diese und viele weitere Ideen und Möglichkeiten müssen in Zukunft betrachtet werden, um Wege einer nachhaltigen Standortsicherung zu finden. Dies wird Aufgabe des Kirchenvorstands sein, der zusammen mit allen Betroffenen das weitere Vorgehen festzulegen hat.
Das Thema wird uns also weiter begleiten, und es ist bei weitem nicht das einzige Thema, das zur Zeit wichtige Weichenstellung für die Zukunft unserer Pfarrei erfordert. Ab dem Herbst werden wir in unserer Pfarrei nur noch zwei Priester haben. Dies bedeutet eine völlig neue Gottesdienstordnung. Um diese aufzustellen, hat der PPR einen Arbeitskreis gebildet, der sich dieser Aufgabe angenommen hat. Auch werden wir ab dem Herbst keinen Pfarrer mehr haben. Hier gilt es zu entscheiden, wie die neue Leitungsstruktur der Pfarrei aussehen wird. Jeweils zwei Personen aus dem Seelsorgeteam, dem Kirchenvorstand und dem Pfarrpastoralrat bilden hier eine Kontaktgruppe zum Erzbistum, um Leitungsmodelle zu entwickeln. Wir sind hier nicht die ersten. Der pastorale Raum Blankenese hat diesen Vorgang gerade abgeschlossen, und das Ergebnis ist im kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht worden.
Viele, viele Veränderungen in kurzer Zeit. Jede dieser Veränderungen bringt Gewohntes durcheinander und zwingt uns, Neues zu denken – und das ist gut so. Wenn wir im besten Sinne konservativ erhalten wollen, müssen wir gemeinsam Zukunft gestalten und neue Wege gehen. Und wenn sich manch neuer Weg als Holzweg herausstellt, werden wir zusammen einen besseren finden. Dass wir die Kraft dazu haben, zeigt sich in den vielen Menschen, die mit großem Engagement und Sachverstand an all den Orten unserer Pfarrei und in unseren Gremien genau an diesen Zielen arbeiten.
Dr. Uwe Marheinecke,
stellv. Vorsitzender des Kirchenvorstands