Aus der heiligen Weihnachtsbäckerei

In fast jeder süßen Leckerei aus der Weihnachtsbäckerei steckt, was nur wenige wissen, ein Stückchen Religion. Das stattlichste Beispiel ist der Stollen. Kaum vorstellbar, dass diese Kalorienbombe im Mittelalter eine Fastenspeise war. Der weiß gepuderte Stollen symbolisiert als Gebildebrot das in Windeln gewickelte Jesuskind. Mit den Zutaten Hefe, Wasser, Mehl und Rapsöl schmeckte die Fastenspeise allerdings damals kaum. Deshalb bettelten die Fürsten beim Papst um Genehmigung, dass die Bäcker während der strengen Fastenzeit Butter in den Teig geben durften. In „Butterbriefen“ erteilten die Päpste ihre Erlaubnis – gegen Geld.

Experten meinen: Heinrich Drasdow, der Hofbäcker Friedrichs des Weisen, hat im 15. Jahrhundert die karge Fastenspeise mit Butter, Mandeln, Zucker, Zitronat und Trockenfrüchten aus der Apotheke erstmals verfeinert und den „Dresdner Stollen“ erfunden. Jedenfalls protzte August der Starke gern mit diesem sächsischen Produkt und ließ bei einer Heeresschau im Juni 1730 einen 1,8 Tonnen schweren Stollen backen. Acht Pferde mussten den Koloss vom Ofen ins Heerlager ziehen.

Der Weihnachtsteller bietet neben dem Stollen weitere süße Verführungen aus der Welt der Religion. Da sind die Spekulatius-Plätzchen, ein mit edlen Gewürzen verfeinertes Mürbeteiggebäck. Es entstand im 10. Jahrhundert und will an die Geschichte rund um den Heiligen Nikolaus erinnern. Mit dem Wort Spekulatius könnte „Aufseher“ oder „Bischof“ gemeint sein. Mehr noch: Plätzchen in Sternen- und Mondform versetzen die Menschen – wir sind allesamt aus Sternenstaub– in die Lage, für eine kurze Zeit symbolisch das ganze Universum einzuverleiben. Und mit den Zimtsternen erinnert die gelebte Religion der Weihnachtsbäckerei an die Heiligen Drei Könige in Matthäus 2,2: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“

Guten Appetit!

Ihr Dr. Edgar S. Hasse

Dr. Edgar Hasse
Prädikant in der Kirchengemeinde Alt-Rahlstedt und Abendblattredakteur

edgar.hasse@abendblatt.de