Palmsonntag 2020:

Triumphaler Empfang unter kritischen Blicken


Der Maler macht mit diesem Bild eine doppelte Aussage: Einerseits zeigt er, im linken Bildbereich, den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem. Wir sehen zwar nichts von den Toren und Mauern Jerusalems, aber umso deutlicher wird die Bereitschaft der Menschen, Jesus ehrend zu empfangen. Sie brechen Zweige von den Bäumen und winken ihm damit zu; sie legen Zweige der Dattelpalmen auf den Boden und breiten ihre Kleider aus, um den zu empfangen, in dem sie den Messiaskönig sehen, den Nachkommen aus dem Hause und Geschlecht des Königs David, unter dessen Regentschaft Israel einst eine Blütezeit erlebte.

So richten sie ihre Erwartung und ihre Hoffnung auf Jesus, der allerdings nicht auf einem stolzen Rappen oder Schimmel einreitet, sondern auf einem jungen Esel sitzt. Der Evangelist Matthäus sieht hier eine alte Prophetie sich erfüllen, die da ankündigte: „Saget der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt zu dir, demütig reitet er auf einem Esel, und zwar auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttieres.“ (vgl. Zach. 9,9 und Is. 62,11)

Im Bild hält Jesus dieses prophetische Verheißungsbuch in der Hand; mit der anderen weist er segnend voraus, in eine Zukunft hinein, die nur er schon kennt. Sein Königtum ist anderer Art, als viele voll Jubel erwarten, und muss sich bald bewähren auch den Gegnern gegenüber, die von rechts her machtvoll ins Bild drängen. Das ist die andere Aussage des Bildes: In langen Gewändern stehen die Vertreter der jüdischen Behörde da und registrieren mit scheelem Blick das Geschehen, und einer trägt den Stab, der auf seine Autorität und Weisungsbefugnis hindeutet.

Diese Sadduzäer, die mit der römischen Besatzungsmacht paktieren, sehen mit Argwohn auf diesen Jesus, erst recht, wenn er bald darauf im Tempelbereich die Geldwechsler und Händler vertreibt und einen Anspruch erhebt, den sie entsetzt und als Gotteslästerung abwehren, wenn er nämlich behauptet, der „Sohn des Allerhöchsten“ zu sein.

Das Bild stellt uns in seinen beiden Teilen, die es nebeneinander stellt, die spannungsvolle Situation vor Augen, an die uns der Palmsonntag erinnert: die jubelnde Aufnahme Jesu durch begeisterte Anhänger und zugleich das Misstrauen der Gruppe seiner Gegner, die Jesu Anspruch abweist und den Prozess in Gang bringen wird, in dem Jesus sich als Bote der Liebe Gottes zu bewähren hat – bis in den Tod hinein, dessen erlösende Wirkung sich aber dann in der Auferweckung zu Ostern erweisen wird.

Diesen Jesus sollen auch wir in unser Herz aufnehmen; wir sollen ihm dort die Herrschaft einräumen und ihn sich gegen alle Widerstände bewähren lassen, damit sein österlicher Sieg auch in uns schon anbrechen kann.

Einzug in Jerusalem und Tempelreinigung
(vgl. Joh. 2,13-22, Mt. 21,6-17 und Lk. 19,28-46)

Heute rufen sie „Hosanna“,
„Hoch willkommen, Davids Sohn!“ -,
im Gedenken an das Manna,
das in Wüstenzeit ihr Lohn?

Und sie breiten ihre Kleider
dem Messias auf den Weg…
Doch daneben stehn schon Neider;
Skepsis, Feindschaft werden reg’,
woll’n, dass Jesus selbst sich wende
gegen das Messiaslob.

Jesus sieht schon auf das Ende,
sieht: Jerusalem zerstob
bald im Anprall seiner Feinde:
Oh, es hatte nicht erkannt,
dass als neue Heilsgemeinde
erst es rechten Frieden fand…

Und so reinigt er den Tempel,
wirft der Wechsler Tische um,
macht, uns allen zum Exempel,
wieder ihn zum Heiligtum.

Opfertiere, Geldgeschäfte
sollen nicht im Wege sein;
Liebe, einend alle Kräfte,
soll den Gottesbund erneu’n.

Mag der alte Tempel fallen -,
schon steht Er als neuer da,
Bergung bietend bald schon allen,
Hallelù-, Halleluja!

            Klaus Lutterbüse